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Möglichkeiten genealogischer Forschung im Landesarchiv Schleswig-Holstein

von Heinrich Frhr. v. Hoyningen gen. Huene

Der preußische Staat richtete für seine neue Provinz im Jahre 1870 in Schleswig, dem damaligen Regierungssitz, ein Staatsarchiv ein. Sein Grundstock bildeten die im Lande vorhandenen Registraturen der vorpreußischen Lokalbehörden. In den 1870er Jahren und nach dem ersten Weltkrieg gelang es nicht nur durch langwierige Verhandlungen mit Dänemark, die Rückgabe der schleswig-holsteinischen Archivbestände zu erwirken, die während der gesamtstaatlich-dänischen Zeit aus den Herzogtümern nach Kopenhagen überführt worden waren, sondern auch die Auslieferung großer Teile der Registraturen der Kopenhagener Zentralbehörden, die Schleswig-Holstein betreffen. Das Staatsarchiv wurde 1923 nach Kiel verlegt und nach der am Ende des Krieges erfolgten Zerstörung des Gebäudes in Kiel 1947/1948 unter dem Namen "LandesarchivA nach Schleswig" wieder zurückverlegt. Die Bestände waren vorher zum Glück ausgelagert worden und überstanden nahezu unbeschadet den Krieg. Nach der langen provisorischen Unterbringung im dritten Obergeschoss und Dachgeschoss von Schloss Gottorf konnte das Landesarchiv im Jahre 1991 seinen schönen und zweckmäßigen Neubau in Verbindung mit dem historischen Prinzenpalais beziehen.

Das Landesarchiv ist das größte und einzige staatliche Archiv in Schleswig-Holstein. Es hat durch das Landesarchivgesetz vom 11.8.1992 den Status einer Landesoberbehörde erhalten und die Aufgabe,
die archivwürdigen Unterlagen der Behörden und Gerichte des Landes, ihrer besonderen Organisationseinheiten sowie ihrer Funktions- und der Rechtsvorgänger des Landes zu archivieren
Archivwürdig sind Unterlagen, die nach Feststellung des Landesarchivs für

Das Landesarchiv sammelt nicht wie ein Museum, sondern es ist der Erbe oder die Erbin der Verwaltung. Es verwahrt das historisch und rechtlich wertvolle Schriftgut, das im Laufe der Jahrhunderte in den verschiedenen Zweigen und Instanzen der staatlichen Verwaltung erwachsen ist. Und es hat den gesetzlichen Auftrag, das archivwürdige Schriftgut der von den Behörden und Gerichten des Landes nicht mehr benötigten und spätestens 30 Jahr nach ihrer Entstehung dem Landesarchiv anzubietenden Unterlagen zu übernehmen. Auf diese Weise sind umfangreiche Bestände im Landesarchiv zusammengekommen, die zeitlich von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hineinreichen. Sie bestehen heute aus rund 12.000 Pergamenturkunden, etwa 90.000 handgezeichneten Karten und 32.000 lfd.m. Akten und Amtsbücher und 400.000 m Dokumentarfilm. Der jährliche Zuwachs beträgt zwischen 500 bis 700 lfd.m. Außerdem hat das Landesarchiv eine Dienstbibliothek von rund 110.000 Bänden. Sie ist die größte und bedeutendste landeskundliche Fachbibliothek im Landesteil Schleswig.

Geordnet ist diese gewaltige Menge an Schriftgut nicht, wie oft angenommen wird, nach topographischen Gesichtspunkten, nach Landesteilen, Landschaften oder Orten, auch nicht nach Personen, Familien oder Geschlechtern und auch nicht nach sachlichen Kriterien. Die Ordnung folgt einem heute in allen großen Archiven angewandten Grundsatz, und zwar dem Provenienzprinzip oder Herkunfts- oder Registraturprinzip.

Danach bleiben die Akten eines Registraturbildners im Archiv so wie sie erwachsen sind zusammen. Ein Registraturbildner kann eine große Behörde sein, es kann aber auch eine Einzelperson sein. Die Akten der einzelnen Fürstenhäuser, der einzelnen Behörden, Gerichte, Vereine, Güter, Klöster, Wirtschaftsunternehmen oder Einzelpersonen, die in das Landesarchiv gelangt sind, bilden im Archiv einen eigenen Bestand oder eine eigene Abteilung. Das Landesarchiv setzt sich aus vielen hundert Archivbeständen zusammen, die nur aus einer Akte oder aber aus zigtausend Akten bestehen können. Innerhalb der Einzelbestände wird die Ordnung des Schriftgutes nach Möglichkeit so belassen, wie es entstanden ist. Das ist in der Regel bei Behörden der Fall, deren Registratur nach einer Aktenordnung abgelegt sind. Gelangt das Schriftgut in völlig ungeordnetem Zustand in das Archiv, muß der Archivar ein Ordnungssystem nach Sachgesichtspunkten oder, wenn es sinnvoll ist, auch nach örtlichen oder personellen Gesichtspunkten entwickeln. Er hat es dabei schwieriger als ein Bibliothekar, der die Bücher nach Verfasser, Titel, Erscheinungsort und -jahr katalogisieren kann.

Jeder einzelne Archivbestand ist durch Findmittel für die künftige Benutzung erschlossen oder zu erschließen. Findmittel können alte, von Behörden geführte Registraturen, Aktenpläne oder Abgabelisten sein, die im Archiv weiterbenutzt werden und durch die jeweilige Angabe der Archivsignatur am Rande kurrent gemacht worden sind. So sind mehrere alte Behördenregistranten aus dem 18. Jhdt. noch heute im Gebrauch. Bei einigen modernen Aktenbeständen muß man sich mit schwer lesbaren Karteikarten, die im Zuge der Ordnungsarbeiten vom Archivar angefertigt worden sind, als provisorische Findmittel begnügen. In der Regel sind die Bestände jeweils durch sogenannte Repertorien, zu deutsch Findbücher, erschlossen. Die alten sind mit gestochener, sauberer Schrift per Hand geschrieben. Nach dem ersten Weltkrieg bis vor kurzem wurden sie mit Maschine geschrieben und seit wenigen Jahren mit modernsten Personal Computern angefertigt. In der Regel erfolgt die Erfassung und die Findbucherstellung heute mit Hilfe eines speziellen EDV-Programms. Nach Möglichkeit enthalten die Findbücher zur Erleichterung der Benutzung Personen-, Orts- und Sachindices, wohlgemerkt der Aktentitel, nicht aber der Akten selbst. Seit 20 Jahren hat das Landesarchiv eine Reihe von Findbüchern einiger seiner wichtigen Bestände veröffentlicht. Der Benutzer hat dadurch die Möglichkeit, zu Hause in Ruhe zu prüfen, ob und welche Akten für sein Forschungsvorhaben relevant sein können. Er kann die ausgewählten Akten fernmündlich für einen bestimmten Tag in den Lesesaal bestellen und dadurch sich viel Zeit sparen.

Benutzen können das Archiv nach dem Landesarchivgesetz alle Personen. Die Nutzung des Archivgutes ist in bestimmten Fällen einzuschränken, z.B. darf personenbezogenes Archivgut erst zehn Jahre nach dem Tode der jeweiligen Person oder, wenn das Todesdatum nicht bekannt oder nur mit unvertretbarem Aufwand feststellbar ist, neunzig Jahre nach dessen Geburt genutzt werden. Ist weder Todes- noch Geburtsdatum feststellbar, endet die Schutzfrist für personenbezogenes Archivgut sechzig Jahre nach Entstehung der Unterlagen. Wenn die Betroffenen oder nach deren Tod deren Angehörige einwilligen, kann natürlich die Schutzfrist verkürzt werden.

Für Genealogen und Familienforscher ist ein staatliches Archiv wie das Landesarchiv eine große Fundgrube. Alle Archivalien können von Belang sein, da Verwaltungsschriftgut fast stets einen mehr oder minder deutlichen Personenbezug aufweist. Insofern ist grundsätzlich alles in Archiven verwahrte Material informationsträchtig. Doch, ob und welche Informationen man im konkreten Fall auf der Suche nach einer bestimmten Person tatsächlich findet, ist davon abhängig, ob und auf welche Weise die gesuchte Person mit der staatlichen Verwaltung in Berührung gekommen ist, z.B. als Beamter, als Haus- und Grundstückseigentümer, als Prozessteilnehmer oder nur als Steuerzahler; und ob der Vorgang aktenkundig geworden ist und sich bis heute erhalten hat. Vieles ist durch Feuer, Wasser und Krieg verlorengegangen, und vieles ist von den Behörden vernichtet worden. Im vorigen Jahrhundert hat sogar das Archiv einiges bewusst kassiert, was nach heutigen Maßstäben unbedingt archivwürdig gewesen wäre. Ob man fündig wird, hängt schließlich auch von der Findigkeit und Ausdauer der suchenden Person ab.

Ein Familienforscher sollte sich für einen Besuch im Landesarchiv gut vorbereiten; je mehr er weiß und je konkreter er seine Fragen stellen kann, je mehr er Ansatzpunkte für seine Suche hat, um so schneller und erfolgreicher wird seine Suche sein. In der Regel empfiehlt es sich daher für den Familienforscher, bevor er das Landesarchiv aufsucht, sein privates Quellenmaterial, dann die gedruckten Quellen in den Bibliotheken, dann die Kirchenbücher in den Kirchenbuchämtern oder Kirchenbuchsammelstellen und die Personenstandsregister der Standesämter seit 1874 und schließlich das archivalische Quellenmaterial in den lokalen Archiven der Gemeinde, der Stadt und des Kreises auszuwerten. Erst wenn er dieses Material ausgewertet hat und nicht mehr weiterkommt, ist es sinnvoll, das Landesarchiv aufzusuchen, um zu versuchen, seine Forschungsergebnisse anhand des dortigen Materials zu ergänzen und zu vertiefen.

Ich habe Ihnen oben erklärt, dass das Schriftgut im Landesarchiv nach den jeweiligen Behörden geordnet ist und die Akten der einzelnen Behörden jeweils eine eigene Abteilung bilden. Ein Familienforscher, der nach einer bestimmten Person im Landesarchiv sucht, muß sich daher zwei Fragen stellen:
1. Welche Behörden waren für diese Person, die in dieser Zeit, in diesem Gebiet und an diesem Ort gelebt hat, zuständig?
2. Gibt es im Archivbestand dieser Behörden im Landesarchiv über diese Person schriftliche Nachweise?

Anhand der 1953 veröffentlichten Übersicht über die Bestände des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs kann er sich darüber informieren, welche Bestände unter welchen Abteilungsnummern im Landesarchiv vorhanden sind. Die seit langem notwendige aktualisierte Neuauflage dieser Beständeübersicht ist in Arbeit.

Natürlich wird dem Familienforscher bei der Suche nach dem richtigen Weg zu den in Betracht kommenden Quellen durch die Vielzahl der Bestände im Landesarchiv geholfen. Bei der Genehmigung seines Benutzungsantrags wird ein Archivar oder Archivarin benannt, der oder die ihn bei seinen Nachforschungen berät, auf das einschlägige Quellenmaterial, das in Betracht kommen könnte, hinweist und die Findbücher der in Frage kommenden Bestände vorlegt. Die eigentliche Suche, die Durchsicht und Auswertung der einzelnen Akten, bleibt allerdings dem Forscher überlassen. Es ist dem Landesarchiv auch grundsätzlich nicht möglich, im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit beim Entziffern der alten Schriften zu helfen. Bedingt durch die Abnahme der Lesefähigkeit nimmt das Problem des Lesens bei den jüngeren Forschern zu. Es ist bedauerlich, dass viele historisch Interessierte dadurch keinen Zugang zu alten Schriften und sehr eingeschränkte Forschungsmöglichkeiten haben.

Wie gesagt, fast alle im Landesarchiv verwahrten Archivalien können von genealogischem Interesse sein. Das hängt jeweils vom Einzelfall ab. Im Rahmen eines Vortrages kann ich nur auf einige Quellengruppen eingehen, die in besonderer Dichte personengeschichtliche Informationen enthalten und die in der Regel flächendeckend vorhanden sind.

Hier sind zunächst die Volkszähllisten zu nennen. Die ersten von 1769 sind leider meist nicht vorhanden. Das Landesarchiv verwahrt die Originale der Volkszähllisten von ganz Schleswig-Holstein von 1803, von Holstein der Jahre 1860 und 1864 und von Lauenburg des Jahres 1864. Diese hatten unter der häufigen Benutzung so zu leiden, dass wir sie alle kopiert haben und wir die Kopien zur direkten Benutzung im Lesesaal aufgestellt haben. Die Volkszähllisten der Jahre 1835, 1840, 1845, 1855 und vom Schleswiger Landesteil auch die von 1860 befinden sich im Original im Reichsarchiv Kopenhagen und sind nur als Mikrofilme im Landesarchiv. Diese können dort mit Hilfe von Lesegeräten benutzt werden mit der Möglichkeit der Anfertigung von Kopien. Die Listen vor 1845 enthalten von jeder Person folgende Angaben: Name, Stellung in der Familie, Alter, Familienstand und Beruf. Die Listen nach 1845 enthalten zusätzlich die Angaben des Geburtsortes und der aufgetretenen geistigen Erkrankungen. Für die preußische Zeit fehlen die Zählungsunterlagen im Landesarchiv. Sie finden sich aber noch in einigen lokalen Archiven. Die Zählungsunterlagen der Gegenwart müssen nach dem Volkszählungsgesetz vernichtet werden, was die Genealogen der nachfolgenden Generationen mit Sicherheit bedauern werden.

Im Hinblick auf Personen, die Grund- und Hauseigentümer waren, sind die Schuld- und Pfandprotokolle eine reiche Fundgrube für Genealogen. Sie sind die Vorläufer der heutigen Grundbücher, die zwischen 1884 und 1886 angelegt wurden und sich noch bei den zuständigen Amtsgerichten befinden. Die Schuld- und Pfandprotokolle liegen fast geschlossen im Landesarchiv vor. Sie sind zu verschiedenen Zeiten zwischen dem Anfang des 17. Jhdts und spätestens 1813 angelegt. Jeder Besitz oder Besitzer hat hier seinen Abschnitt, in dem alle Veränderung des unbeweglichen Vermögens kurz eingetragen sind. Angaben am Rande oder am Schluß der Eintragungen verweisen auf die sogenannten Nebenbücher oder Kontraktenbücher, in der die Urkunden im vollen Wortlaut eingetragen sind, die die Besitzveränderungen veranlassten. Hier finden sich Erbteilungsverträge, Verträge zwischen den Eltern, die aufs Altenteil gingen und ihren Kindern, die den Besitz übernahmen, Verträge zwischen einem Elternteil, der sich wiederverheiraten wollte, mit den Kindern der früheren Ehe, Inventare der Höfe und Hinterlassenschaften, usw.....

Wenn die Schuld- und Pfandprotokolle ausgewertet sind, wird die Forschung schwieriger und oft auch unsicherer. Das gilt auch, wenn man die Kirchenbücher ausgewertet hat, die sich in der Regel nicht im Landesarchiv sondern in den Kirchenbuchämtern oder Kirchenbuchsammelstellen befinden. Das Landesarchiv verwahrt jedoch Abschriften der Kirchenbücher der Kreise Eutin und Herzogtum Lauenburg.

Es bietet sich dann die Möglichkeit, nach den Amtsrechnungen zu greifen, die für die ehemaligen landesherrlichen Ämter im Landesarchiv bis zum Jahre 1867 vorliegen und meistens in der zweiten Hälfte des 16. und in Einzelfällen sogar Ende des 15. Jahrhunderts einsetzen. Die Amtsrechnungen sind Steuerlisten, die vom Amts- oder Landschreiber jährlich aufgestellt und der höchsten Finanzbehörde, der Rentekammer zu Kopenhagen, eingereicht wurden. Sie sind wertvoll besonders für die Zeit des 16. und 17. Jhdts, weil hier die sonstige Überlieferung fehlt oder nur lückenhaft ist. Eine Amtsrechnung aus dieser Zeit gibt jährlich Aufschluss über die einzelnen Steuerzahler, deren Namen, Stellung, Abgaben und Leistungen ob sie wegen besonderer Ereignisse mehr oder weniger zu zahlen bzw. zu leisten hatten.

Für die Genealogen besonders interessant sind die Brücheregister, in denen unter anderem die Strafgelder für die unehelichen Geburten eingetragen sind, und ferner auch die Genehmigungen von Haustrauungen und Dispensationen bei gesetzlichen Ehehindernissen, z.B. Verwandtenehen. Das Landesarchiv verfügt über eine Zettelsammlung von Jonathan Smith, Kopenhagen, der diese Genehmigungen und Dispensationen einiger schleswigschen Ämter aus der Zeit von 1648 bis 1774, alphabetisch nach den Namen der Männer geordnet, unter Angabe des Wohnorts sowie Name und Wohnort der Frau sowie Datum der Erlaubnis erfasst hat.

Wenn man auch die Amtsrechnungen ausgewertet hat, wird ein Weiterdringen in die Vergangenheit nur noch in Einzelfällen möglich sein, da die Überlieferung im 17. und 16. Jahrhundert immer lückenhafter wird und schließlich ganz fehlt. Vielleicht können die Erdbücher noch weiterhelfen. Sie wurden im 17. und 18. Jhdt. von der staatlichen und kirchlichen Verwaltung zu verschiedenen Zeiten für das ganze Land oder für einzelne Ämter angelegt, um sich über die Einnahmen und die Steuerkraft einen Überblick zu verschaffen.

Es gibt aber reiches und vielfältiges Material, mit dem man seine dürren genealogischen Daten ergänzen und erweitern kann. Hier ist hinzuweisen auf die Vormünderbücher, die anfangs des 19. Jahrhunderts vorgeschrieben wurden, auf die Gerichtsprotokolle, die eine besondere Fülle und Vielfalt an Informationen bieten, an die Brandversicherungsregister des 18. und 19. Jhdts und an die Gebäudesteuernachweisungen von 1867, die die Größe und den Zustand von Hof und Gebäuden näher beschreiben.

Eine große Anzahl an Testamenten und Eheverträgen des 18. und 19. Jahrhunderts, die eine königliche Bestätigung erhielten und daher im Bestand der Deutschen Kanzlei enthalten sind, sind durch ein Personenregister für die Benutzung erschlossen. Auch über die Testamente der Landschaften von Süder- und Norderdithmarschen liegt ein umfangreiches Personenregister vor. Andere Bestände beinhalten natürlich auch Testaments- und Nachlasssachen, doch da bleibt einem die Mühe nicht erspart, die Akten Blatt für Blatt durchzusehen.

Wichtige, aber spezielle personenkundliche Quellen stellen auch die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnenden Akten über die Entlassungen aus dem preußischen Untertanenverband der Auswanderer dar. Vor allem wegen der Militärpflichtigkeit mußten alle Personen, die auswandern wollten, ihre Entlassung aus dem Nexus beantragen. Die meisten haben sich aber bei Nacht und Nebel der Militärpflicht entzogen und sind illegal ohne Genehmigung ausgewandert. Die Akten über die Anerkennung der Staatsangehörigkeit sowie Namensänderung, die in der preußischen Zeit beginnen, sind auch interessante genealogische Quellen.

Eigentliche Militärakten besitzt das Landesarchiv nur wenige. Diejenigen der dänischen Gesamtmonarchie - auch der Regimenter, die in Schleswig-Holstein standen - befinden sich im dänischen Heeresarchiv, das im Reichsarchiv Kopenhagen verwahrt wird. Die Überlieferung des preußischen Militärwesens befindet sich, soweit es den Bombenangriff des preußischen Heeresarchivs in Potsdam im April 1945 überstanden hat, und das ist sehr wenig, heute im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg/Br.

Das Landesarchiv besitzt jedoch in Form von Mikrofilm-Karten die handschriftliche 12-bändige Aufstellung der Offiziere des dänischen und norwegischen Heeres von 1648-1814, - darunter viele auch aus Schleswig-Holstein, - des 1922 verstorbenen Oberstleutnants J. W. Hirsch. Sie befindet sich im Original in der Kgl. Bibliothek Kopenhagen und enthält über die einzelnen Offiziere die Lebensdaten und militärische Laufbahnen.

Bei den wenigen Militärakten, die das Landesarchiv besitzt, handelt es sich zum einen um diejenigen des Herzogtums Gottorf aus dem 17. und 18. Jhdt., zum anderen um die Überlieferung der Schleswig-Holsteinischen Armee aus der Erhebungszeit von 1848-1851.

Die gottorfischen Militärakten sind recht zahlreich, aber lückenhaft. Sie sind vor nicht langer Zeit sehr intensiv von einem Benutzer für eine gottorfische Militärgeschichte ausgewertet worden. Das leider unveröffentlichte Manuskript und umfangreiche Arbeitsunterlagen liegen zur Benutzung im Landesarchiv vor. Es enthält detaillierte Offizierslisten.

Die Überlieferung der militärischen Behörden der Erhebungszeit ist zwar weniger lückenhaft als die gottorfische, aber leider noch unzureichend erschlossen. Auf der Suche nach einzelnen Offizieren der Schleswig-Holsteinischen Armee ist ein 1972/73 aufgestelltes Namensregister sehr hilfreich, das auf einschlägiges Quellenmaterial verweist. Allgemein ist für die gottorfische Überlieferung und für die der Erhebungszeit festzustellen, dass die Quellenlage für die Forschung nach Offizieren gut und die für Unteroffiziere und Mannschaften äußerst mangelhaft ist.

Eine bemerkenswerte genealogische Quelle bilden auch die sogenannten Lagerregister von 1847 bis 1864, in denen die Wehrdienstpflichtigen von ihrer Geburt an eingetragen sind. Die Eintragungen wurden nach den Zu- und Abgangslisten der Prediger regelmäßig vervollständigt und berichtigt.

Besonders einschlägig ist der Archivbestand der "Forschungsstelle für Heimatgeschichte und Sippenkunde Eutin". Diese genealogische Forschungsstelle wurde 1935 als Privatinstitut gegründet, unterstand aber der Aufsicht des Landrats und sah ihre Aufgabe in der Heimatkunde und in der Sippenkunde, wo sie über den reinen Nachweis der arischen Abstammung hinausging. Ihre Mitarbeiter kamen aus der Lehrerschaft. Der Bestand enthält genealogischen Schriftwechsel und Materialien, vor allem Ahnentafeln von Bauernfamilien aus dem Kreis Eutin sowie Besitzerlisten des Amtes Ahrensbök nach den Amtsrechnungen von 1622 bis zum 19. Jhdt mit alphabetischem Register; ferner eine Personenkartei der Volkszählung des Fürstentums Lübeck von 1819.

Das Landesarchiv verwahrt auch einzelne nichtstaatliche Archive, die ihm anvertraut und deren Benutzung teilweise einer ausdrücklichen Genehmigung des Eigentümers bedarf. Zu den bedeutendsten dieser Archive gehören Bestände der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft, der Adligen Klöster von Itzehoe und Schleswig sowie einzelner adliger Güter, die alle mehr oder weniger reichhaltiges Material zur Geschichte des Adels in Schleswig-Holstein und einzelner Familien enthalten. Besonders erwähnenswert sind hier die Familienarchive der v. Ahlefeld auf Haseldorf, der Grafen v. Baudissin auf Borstel, der Herren und Grafen v. Blome auf Salzau und Heiligenstedten, der Grafen v. Brockdorff auf Kletkamp, der Grafen zu Rantzau auf Breitenburg und Rastorf, der Grafen v. Reventlow auf Emkendorf, der Grafen v. Schimmelmann auf Ahrensburg.

Schließlich übernimmt das Landesarchiv, wenn es ihm angeboten wird, gern auch Nachlässe einzelner Personen oder auch einzelne unveröffentlichte Forschungsergebnisse, unter anderem auch von Genealogen. Es handelt sich hier überwiegend nicht mehr um primäres zeitgenössisches genealogisches Quellenmaterial, sondern um die Ergebnisse und Früchte von persönlichen Forschungen, also um sekundäres Quellenmaterial, das teilweise auch veröffentlicht wurde.

In alphabetischer Reihenfolge möchte ich Ihnen die m.E. wichtigsten genealogischen Nachlässe nennen:
  1. Thomas Otto Achelis, geb. 1887, gest. 1967. Er war Studienrat in Hadersleben und Rendsburg. Er ist besonders bekannt durch sein Werk "Matrikel der Schleswigschen Studenten", aber auch durch seine vielfältigen Arbeiten, insbesondere über Hadersleben, sowie Schüler- und Studentenmatrikel. Sein umfangreicher und vollständiger Nachlass enthält eine vollständige Sammlung aller seiner Veröffentlichungen nebst Bibliographie.
  2. Frithjof Bestmann, geb. 1898, gest. ca. 1885. Er war Stiftspropst und Pfarrer in Bassum. Von ihm stammen Auswertungen der Kirchenbücher von Trittau für bestimmte Familien vom 17. bis 19. Jhdt.
  3. Die Familie Bokelmann hat dem Landesarchiv sein Familienarchiv mit einer genealogischen Sammlung übergeben.
  4. Von Friedrich Brügmann, gest. 1968, Justizoberinspektor, stammt eine genealogische Materialsammlung vor allem betr. die Familien Brügmann und Pöhls.
  5. Der Nachlass von Kurt Peter Brütt, Sohn des Bildhauers Adolf Brütt, geb. 1886, gest. 1969, des Buchhaltungschefs der Firma Siemens, enthält die genealogische Sammlung über die Familien Brütt, Schillbach, Kromayer, Zenker, Stockmann und andere.
  6. Aus dem Nachlass des Lehrers Christian Christiansen, gest. 1955, stammt eine Sammlung von dorf-, hof- und familiengeschichtlichen Materialien, vorwiegend für die Orte Schackendorf, Krs. Segeberg, und Molfsee, Krs. Rendsburg, sowie des Kirchspiels Leezen, Krs. Segeberg.
  7. Der Lehrer Klaus Eggers, geb. 1898, gest. 1971, hat von seinen Wirkungsstätten in Lütau, Krs. Herzogtum Lauenburg und Tolk, Krs. Schleswig-Flensburg, umfangreiches hof- und familienkundliches Material erarbeitet und gesammelt, das er dem Landesarchiv hinterlassen hat.
  8. Der genealogische Nachlass des im Jahre 1966 verstorbenen Volksschullehrers Adolf Fock in Hamburg wurde 1977 von der genealogischen Gesellschaft, Sitz Hamburg, an das Landesarchiv abgegeben und enthält das durch Urkundenauswertungen gesammelte genealogische Material über vorwiegend hochmittelalterliche Geschlechter des Uradels aus Schleswig-Holstein, Lauenburg und dem nördlichen Niedersachsen.
  9. Der Nachlass des langjährigen Redakteurs des Familienkundlichen Jahrbuchs Schleswig-Holstein Dr. Wilhelm Hahn, geb. 1898, gest. 1982, enthält vor allem umfangreiches genealogisches Material über Beamte-, Papiermacher- und Buchdruckerfamilien.
  10. Der sehr umfangreiche und erst provisorisch verzeichnete Nachlass der Bibliothekarin und Archivarin Helene Höhnk, geb. 1859, gest. 1944, enthält reiches genealogisches Material über Familien aus ganz Schleswig-Holstein.
  11. Aus dem Familienarchiv v. Holmer habe ich zwei besonders interessante alte genealogische Stücke 1978 im Familienkundlichen Jahrbuch veröffentlicht. Es handelt sich um die Nachkommentafel und den Familienkalender, die Friedrich Adolf Holmer Ende des 17. Jhdts angefertigt hat, in denen er Personen behandelt hat, die vom Ende des 16. bis Anfang des 18. Jhdts hohe und höchste staatliche und kirchliche Stellungen, vor allem im gottorfischen Staat, eingenommen haben.
  12. Pastor Gustav Karstens aus Süderstapel, geboren 1877, gest. 1951, hat dem Landesarchiv zahlreiche Personal- und Familienblätter für das Kirchspiel Süderstapel hinterlassen.
  13. Oberarchivrat und Professor für Geschichte in Hamburg Hans Kellinghusen, geb. 1885, gest. 1971, übergab dem Landesarchiv Auszüge aus den Kirchenbüchern und Standesamtsregistern des Kirchspiels Kaltenkirchen und der Propsteien Rantzau, Pinneberg und Münsterdorf.
  14. Der Sippenverband Mißfeld(t), gegründet 1936, übergab nach seiner Auflösung sein umfangreiches Archiv, das eine Verkartung der Kirchenbücher des Kirchspiels Krusendorf sowie zahlreiche Stammtafeln enthält.
  15. Ernst Christian Mohr, der 1959 in Barmstedt lebte, hinterließ sein Typoskript mit dem Titel "Die Geschichte der Bauernhöfe der Grafschaft Rantzau und der Familien ihrer Besitzer". Es handelt sich um insgesamt 900 Höfe.
  16. Der Studienrat in Altona und Elmshorn Wilhelm Muhs, geb. 1895, gest. 1976, hat viele Stammfolgen alter schleswig-holsteinischer Adelsgeschlechter, die im Danmarks Adels Aarbog veröffentlicht sind, durch sehr nützliche Personenregister erschlossen.
  17. Der Nachlass des Landrats in Meldorf, Regierungsdirektors in Schleswig und Schriftstellers Friedrich Pauly, geb. 1875, gest. 1954, enthält umfangreiches genealogisches Material über seine Ahnenfamilien, das er teilweise auf beeindruckende Weise schriftstellerisch bearbeitet hat. Kostproben seiner Familiengeschichte sind im Oldenburger Jahrbuch veröffentlicht.
  18. Hans-Herbert v. Poncet übergab dem Landesarchiv wertvolles genealogisches und familiengeschichtliches Material unter anderem der Familien v. Ahlefeld, v. Rantzau und v. Dehn, von denen er abstammt. Darunter befinden sich mehrere alte Stammtafeln ritterschaftlicher Familien und als Rarität eine große Wappendeszendenztafel auf Pergament mit Personenabbildungen der Familie Pot bzw. v. Dehn vom Anfang des 17. Jhdt.
  19. Der Nachlass des Archivobersekretärs August Reimers, geb. 1883, gest. 1963, ist erst vor wenigen Jahren durch ein Findbuch erschlossen. Er enthält umfangreiches genealogisches Material über zahlreiche Familien aus ganz Schleswig-Holstein, die Reimers für verschiedene Auftraggeber zusammengestellt hat. Als Archivobersekretär des Staatsarchivs Kiel, des Vorgängers des heutigen Landesarchivs, hatte er profunde Kenntnisse der Archivbestände. Er organisierte übrigens die Auslagerung der Archivbestände im 2. Weltkrieg, wodurch diese fast unbeschädigt und ohne Verluste den Krieg überstanden haben.
  20. Das Familienarchiv Rendtorff enthält nicht nur Material über diese Familie, sondern auch über andere verwandte Familien.
  21. Ein ganz besonderer genealogischer Schatz stellt die genealogische Sammlung des Claus Heinrich Moller aus Rendsburg dar, die sich im Archiv der Herrschaft Breitenburg befindet. Moller war Rektor der Flensburger Gelehrtenschule, geb. 1715, gest. 1796. Er ist zu den bedeutendsten Genealogen Norddeutschlands zu zählen. Seine Sammlung besteht aus 496 Einzelnummern und bezieht sich überwiegend auf Familien des hohen und niederen Adels.

Schließlich hat das Landesarchiv für einzelne genealogische Stücke, die ihm übergeben werden, einen Bestand mit der Bezeichnung "Sammlung handschriftlicher oder mechanisch vervielfältigter genealogischer Tafeln" angelegt. Diese Sammlung besteht heute aus 144 Stücken und ist durch ein Namensregister der Probanden erschlossen. Ich kann Ihnen hier unmöglich die einzelnen Tafeln aufzählen, möchte Ihnen aber die Namen einiger Genealogen nennen, die diese Tafeln teilweise im Auftrag von Amerikanern, deren Vorfahren aus Schleswig-Holstein stammen und meist unter Benutzung des Quellenmaterials des Landesarchivs bearbeitet haben: Arnold Berg, Helmut Krostewitz, Carl Piepgras, August Reimers, Karl-Egbert Schultze und Kurt Wulf.


Stand 10 November 2002. Copyright © 2002 Heinrich Frhr. v. Hoyningen gen. Huene.