Namenssitten in Schweden


Jed Ding braucht einen Namen - und manchmal auch zwei oder drei. Das vereinfacht die Verständigung unter Menschen. Aus dem gleichen Grunde braucht auch jeder Mensch einen Namen - oder mehrere - damit wir zwischen Individen unterscheiden können. Der Bedarf an Namen unterscheidet sich mit der Anzahl der Menschen, die in einer Gesellschaft miteinander leben. Je mehr Menschen umso größer der Bedarf an Namen. Und während die alten Römer schon lange vor unserer Zeitrechnung Träger von sowohl Vornamen wie auch Familiennamen waren, z.B. Gaius Julius Caesar, also dem Rufnamen (Gaius), dem Familiennamen (Julius: von der Sippe der Julier) und einem Beinamen (Caesar: von caesaries = Haar), benötigte man im äußerst dünn besiedelten Schweden (das es damals noch gar nicht gab) nur Rufnamen.

Mit dem Gebrauch der jüngeren Runenschrift und der Sitte, die Heldentaten der Wikinger zu "dokumentieren" entstand auch der Bedarf mehrerer Namen. Der Rufname Leif reichte nicht aus, um zu beschreiben. Welcher Leif es war, der Vinland entdeckte? Es gab mehrere Leifs. Also, es war Leif, Eriks Sohn = Eriksson. Im 14. und 15. Jahrhundert kam dann im schwedischen Adel der Gebrauch von Sippennamen auf. So gab es einen Bo Jonsson Grip, † 1386, (Rufname & Patronymikon & Sippenname), der das Schloss Gripsholm (= Grips Insel) baute, und im darauffolgenden Jahrhundert den König Karl Knutsson Bonde, † 1470. Und Gustaf Vasa hieß in Wirklichkeit Gustaf Eriksson Vasa, denn er war der Sohn von Erik Johansson Vasa und nannte sich bis zu seiner Krönung nur Gustaf Eriksson. Als König nannte das Volk ihn Kung Gösta.

Erst mit der Urbanisierung Schwedens im 15. Jahrhundert entstand der Bedarf von Familiennamen, jedoch nur in den Städten. Auf dem Land, d.h. unter der Mehrheit der Bevölkerung, war die Tradition des Patronymikon ausreichend. In gewissen ländlichen Gegenden verdeutlichte man den eigenen Namen mit dem Namen des Hofes. In Dalarna stellte man den Hofnamen vor: z.B. Ryttar Bengt Nilsson (Hofname & Rufname & Patronymikon).

Mehr zur Entwicklung der Familiennamen in Schweden und den Unterschieden zu Deutschland findet man in diesem Aufsatz, den man als PDF-Datei herunterladen kann.

Grundsätzlich kann man in Schweden grob zwischen fünf Namensgebräuchen unterscheiden: Adel, Geistliche & Gelehrte, Bürger, rurale Bevölkerung sowie "eingeteilte" Soldaten. Wie oben schon erwähnt waren Adelsnamen vor allem Sippennamen und bis ins 16. Jahrhundert sehr oft mit einem Patronymikon verdeutlicht. Geistliche und Gelehrte nahmen oft lateinische Namen an oder sie "lateinisierten" ihre Patronymika bzw. ihre Herkunftsnamen. Aus Eriksson wurde Erici und aus "von Kalmar" wurde Kalmarnia (1419, Rostock). Die Bürger nahmen ab dem 16. Jahrhundert mit Vorliebe Familiennamen an mit Anknüpfung an die Natur (gerne Flora) oder an die Topographie an oder aber Mischungen davon. Einsilbig oder mehrsilbig: z. B. (Anzahl der Träger 2004 in Klammern): Lind (15.367), Berg (19.775), Lindberg (27.402), Lindström (25.650), Lindgren (23.437), Lundberg (21.847). Heute (2004) ist Lindberg der gewöhnlichste Familiennamen nach den Son-Namen.

Die Landbevölkerung war jedoch bis Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend. Im Jahr 1892 hatte Schweden eine Bevölkerung von 4,8 Millionen. Von diesen lebten über 80% auf dem Land und knapp 20% in den Städten. Mit dem Namensgesetz von 1901 wurde die Sitte des Patronymikons verboten und aus den Son-Namen wurden Familiennamen. Die Bevölkerungsverteilung auf Land und Städte um 1900 spiegelt sich noch heute in den Familiennamen ab: Fast jeder dritte Schwede hat einen Son-Namen. Der häufigste ist Johansson mit zirka 280.000 Namensträgern (2004).

Für den deutschen Familienforscher, der seine Ahnen in Schweden sucht, sind zwei Namensarten besonders zu beachten: das Patronymikon und die s. g. Soldatennamen.

Hier ein Beispiel zum Patronymikon:
1717 wird der schwedische Leutnant Lambrecht Rudolf GIESCHEN, * ~1690, der aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Bremer-Verdener Gebiet stammt, nach Schweden versetzt und 1719 aus dem Militär entlassen. Er wird danach Bauer. Seine Nachfahren sind teilweise bis in die vierte Generation Träger des Namens GIESCHEN. Jedoch erhalten bereits die Kinder eines Enkels, Peter GIESCHEN, * 1775, die Namen Petersson und Petersdotter. Ein Ururenkel in der 5. Generation, Salomon Edvard PETERSSON, * 1862, wandert 1882 nach Deutschland aus. Er hat jedoch sein Patronymikon nicht von seinem Großvater übernommen, sondern wurde so nach seinem Vater benannt. Seine Mutter, eine Anna-Lisa PETERSDOTTER hatte einen Peter NILSSON geheiratet. Seine heutigen Nachfahren PETERSSON in Deutschland müssen somit nach ihrem Ahnen GIESCHEN in Bremen-Verden suchen, das 1690 schwedisch war.

Einen interessanten Artikel über die schwedischen Namensgebräuche, jedoch auf Englisch, findet man hier: FAMILY NAMING PRACTICES IN OLD SWEDEN.

Soldatennamen in Schweden sind ein besonderes Kapitel und haben mit dem schwedischen "Indelningssystem", dem schwedischen System der Milizarmee, zu tun. Soldatennamen gab es schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Ab zirka 1686, also der Einführung der neuen Kirchenordnung, kommen Soldatennamen immer häufiger vor, da man im Militär gezwungen war, die vielen Karlssons und Johanssons auseinander zu halten. Der Kompaniechef gab den Rekruten einen frei erfundenen Soldatennamen, der jedoch für die Kompanie unikal sein sollte. Man "taufte" sie kriegerisch Modig, Sabel, Sköld usw. oder nach ihrem Charakter Glad, Munter, Flink usw. Man gab ihen auch Tiernamen wie Hjort oder Örn. Um alles noch komplizierter zu machen, so konnte man ihnen auch Namen nach der Rotte geben, die den einzelnen Soldaten aufstellte. Hieß die Rotte Sundby (= Dorf am Sund) so konnte daraus Sund, Sundkvist oder auch Sundström werden. Da es im Lande verschiedene Sundbys gab, die Soldaten für verschiedene Regimenter stellten, konnten somit völlig unabhängig von einander zwei Soldaten, die nicht verwandt waren, den Soldatennamen SUND erhalten. Oder aber zwei Soldaten verschiedener Jahrgänge, z.B. ein Karlsson und ein Johansson, den Soldatennamen SUND, so lange sie nicht gleichzeitig in der Kompanie tätig waren. In Kirchenbüchern kann es vorkommen, daß sowohl der zivile wie auch der Soldatenname angegeben wird, also KARLSSON SUND. Während des 17. Jahrhunderts war es nicht ungewöhnlich, daß der Soldat seinen Soldatennamen bei der Entlassung aus dem Dienst behielt. Während des 19. Jahrhunderts kam es immer häufiger vor, daß auch die Kinder den Soldatennamen ihres Vaters übernahmen. Und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dann die Soldatennamen zu Familiennamen.


Uppdaterad 2008-11-20. Copyright © 2008 Jürgen Weigle.